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Die Kuh die Wellpappe frass
Ankunft in Covalam Beach

Die Kinder liefen direkt auf mich zu. Schon seit einigen Minuten beobachtete ich die Gruppe Mädchen, die sich immer deutlicher von dem in gleißendes Sonnenlicht getauchten Sand abhoben. Der Strand den ich mit zugekniffenen Augen musterte stieg flach an, bis er sich auf meiner Höhe zu einer mannshohen Düne aufwölbte und in einen offenen Palmenwald überging. Der Seewind war ungewöhnlich heiß, das empfand selbst ich so, obwohl ich mich schon seit 3 Monaten akklimatisieren konnte. Stieg man in die Brandung, brachte das kaum Abkühlung, das Wasser war mindestens 30 Grad warm. Das Beste das ich tun konnte war, im Schatten zu liegen und sich möglichst wenig zu bewegen.

Ich lag am Fuß einer mächtigen Palme, einige hundert Meter von der Brandung entfernt, die mit dem Puls eines unendlich langsamen Herzschlages, donnernd den beigefarbenen Strand empor kroch und sich, der nächsten Woge entgegen mit einem lang anhaltendem leisem Rauschen wieder zurück zog. Die dunkelbraune Haut der Kinder und die fröhlichen Gesichter paßten zu den bunten, meistens rot-gelb geblümten Kleidern. Auf ihrem Kopf trugen einige von ihnen eine große flache Schale mit Früchten. Melone, Kokosnüsse, Mango. Als das erste Mädchen mich erreicht hatte, setzte es ihre Schale ab und als sie mich fragte, ob ich etwas kaufen möchte, hatten die anderen ebenfalls meinen schattigen Platz erreicht und setzten sich um mich. Es waren Kinder der Menschen, die Ihre Palmhütten direkt unter den Bäumen am Strand aufgebaut hatten, und wahrscheinlich vom Fischfang lebten. Ich hatte schon oft Früchte von den Kindern gekauft, denn  ich genoß den Service, am Strand zu liegen und ab und zu ein paar Erfrischungen gereicht zu bekommen. Diesmal allerdings wolle ich nichts kaufen, und die Mädchen versuchten mich in ein Gespräch zu verwickeln. Eines der Kinder mit den schwarzen, geflochtenen Haaren und den großen leicht geröteten Augen griff nach meinem Arm und sagte staunend: "You are very white". Ich war so überrascht, daß ich meinen Arm ruckartig zurückzog und Ihr zu verstehen gab, das sie mich nicht anfassen sollte. Erst später wurde mir bewußt, welche Kränkung das war, denn die unterste Kaste, zu denen diese Kinder sicher gehörten heißt "die Unberührbaren". 

"He, die haben ja Henna dabei" rief Jens in Richtung der Mädchen. Jens, ein deutscher Tourist, hatte ich vor 2 Monaten beim Besuch eines Tempels in der Nähe von Bangalore kennengelernt. Wir hatten uns zu Silvester in Goa verabredet. Es war das zweite mal, daß ich  nach einer stundenlangen Fahrt den Bussbahnhof von Colva erreichte. Direkt nach meiner Ankunft in der ehemaligen Portugiesischen Kolonie fuhr ich nach Covalm Beach um Jens zu suchen, und fand Ihn auf Anhieb. Es saß auf der Veranda eines der Garden Cottages und hatte ein Abendessen hergerichtet. So kurz vor Sylvester war es eigentlich fast unmöglich noch eine billige Unterkunft in den Cottages zu finden, aber glücklicherweise fand ich noch ein sauberes Zimmer. Das Haus lag etwa 500 Meter entfernt von der jetzt gutheißen Straße, die in einem großen Wendekreis direkt am Strand endet, mitten im Palmenwald. Kurioser weise, mußte ich um zu dem Haus zu gelangen, auf einem Pfad durch einen großen Brackwassertümpel balancieren und ich weis nicht wie, aber ich schaffte es jedes mal ohne nasse Füße. Der Tümpel war als solcher nur an der, gegenüber dem festen Boden geänderten Vegetation zu erkennen, die den Wasserspiegel ohne die kleinste Lücke überwucherte. Der Weg war, da unbeleuchtet, besonders Abends ein echter Nervenkitzel.

So wie das Wort Henna gefallen war bewegte sich die Gruppe der geschäftstüchtigen Kinder auf Jens zu, der es sich einige Meter weiter eingerichtet hatte. Das älteste der Mädchen, das offenbar für diese Ornamentmalerei mit Pflanzenfarben zuständig war, begann sofort damit einige Muster auf einer Karte zu zeigen und eine heftige Verhandlung um den Preis führte zu wildem Gestikulierem.  Je länger man in Indien lebt um so genauer kennt man die marktüblichen Preise aber um so gereizter reagieren die jeweiligen Händler, die es gewohnt waren, das Touristen manchmal das Zehnfache und noch mehr zahlten. In diesem Fall war der ausgehandelte Preis  wohl doch zu niedrig, denn das "etwas" das die Künstlerin auf seiner Schulter hinterlassen hatte, war nicht zu vergleichen mit den detailreichen Figuren, die ich bei anderen Touristen gesehen hatte.

Ich griff nach meiner Matte, und legte mich einen  Meter nach links in den weitergewanderten Palmenschatten. Noch zwei Tage bis Sylvester.


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